Gehört hatte ich schon oft vom sagenumwobenen Scooterist Meltdown in Kalkar. Dank meinem Bruder Onkel Mike und seinem Shop hatte ich nun Anlass das ehemalige Kernkraftwerk zu besuchen.Mike fährt gerne mit dem Auto und hat sich deshalb bereits am Freitag auf die etwa 1000km weite Strecke gemeinsam mit unserem Clubkollegen Hans auf den Weg nach Kalkar gemacht, da der Aufbau seines Standes nur Samstag morgens möglich ist. Ich für meinen Teil bin mittlerweile etwas bequemer geworden und habe mir einen Flug samt Mietwagen für meinen eintägigen Besuch der Veranstaltung arrangiert. Aber nicht nur das Event selbst sondern auch die Reise dorthin hatte ihre ganz speziellen Reize.
Jetzt bin ich mittlerweile jemand, der aufgrund der beruflichen Entwicklung üblicherweise eher der Masse angepasst in Erscheinung tritt. Ganz im Gegensatz dazu mein persönlicher Hang zur doch eher ursprünglichen Rollerszene aus meiner Jugend birgt fast ein Erscheinunsspektrum jeweils am gegenüberliegenden Ende der Skala. Das letzte Mal, dass ich in „voller Montur“ am Wiener Flughafen war, ist schon einige Zeit her und war mir nur noch matt in Erinnerung. Üblicherweise bin ich nur in Arbeits(ver)kleidung am Flughafen unterwegs, sprich in den überwiegenden Fällen mit Anzug und Krawatte. Ich falle meist nicht auf und treibe scheinbar farblos durch die Masse Reisender. Heute, Bomberjacke, Docks und Kutte, geniesse ich förmlich die verstohlenen Seitenblicke mit echauffiertem Gesichtsausdruck. Am auffälligsten waren die Reaktionen als ich mich am Prioritydurchgang zum Sicherheitscheck angestellt hab. Eine Frau mittleren Alters mit adrettem Business-Kostüm hatte eine Mischung aus Abscheu und Unsicherheit im Gesicht als ich mich gleich hinter ihr in die Reihe stellte. Irgendwie hab ich es vermisst, dieses kleine Aufsehen wenn man aus der grauen Masse sticht. Lediglich beim Einsteigen sieht mich die Stewardess bei der obligatorischen Begrüßung nett an und meint mit etwas reduzierter Lautstärke „…geile Jacke!“.
In Düsseldorf angekommen sieht es plötzlich ganz anders aus. Keinen juckt mein Aussehen, selbst am Mietwagen-Schalter keinerlei Reaktion. Die Fahrt nach Kalkar ist relativ kurz und auch einfach, lediglich das Mietauto hat die Straßenlage eines Hochstuhls mit Rädern. Übelst zu fahren. Die Strecke führt mich abseits der Autobahn durch die typisch ländliche Gegend mit den Bauten aus roten Backsteinen. Ich bin beruflich öfter im Ruhrpott und auch ausserhalb schon mal unterwegs. Ich kenne diese Architektur und Anordnung relativ gut und habe sie mittlerweile schon lieb gewonnen.
Das Gelände in Kalkar ist schon von Weitem zu erkennen. Ich nehme den ersten auffindbaren Parkplatz und melde mich bei Mike. Der ist im Aufbaustress und sendet mir Hans als Unterstützung zum Check-In und als Wegweiser. Das geht alles schön schnell und ich kann Mike noch ein wenig beim Aufbau helfen. Die Custom- und Tradeshow findet in einer großen Halle statt. Das ist sehr gut, vor allem da es so keine bevorzugten Platzierungen gibt und sich die Customroller mit den Verkaufsständen mischen. Die Aussteller sind so breit gefächert, dass es eine helle Freude ist. Von Gebrauchtteilen bis hin zu SIP und Scooter Center ist alles vertreten. Auch der ein paar Textilhändler von der Insel haben ihre Verkaufszelte in der Halle aufgeschlagen und ich muss mich schon beim Aufbauen zurückhalten um nicht in einen Kaufrausch wie bei meinem ersten Besuch der Carnaby Street in London zu verfallen.
Um 10h werden die Besucher eingelassen. Und sie kommen in Scharen. Und das zu einem sehr großen Anteil von der Insel. Jetzt bin ich beruflich dazu genötigt das eine oder andere Wort in Englisch zu sprechen, aber mit den allesamt absolut netten und herzlichen Leuten komm ich mit meinen Kenntnissen fast gar nicht zurecht. Jedesmal muss ich nachfragen und dann bemühen sie sich deutlicher zu reden. Macht nichts, ich finde es absolut toll hier und nach einiger Zeit beginnt Mikes Stand auch gut zu brummen. Er wird die Heimfahrt wesentlich leichter antreten als ursprünglich geplant. Das macht ihn froh und guter Laune.
In den ruhigeren Zeiten am Stand mache ich so meine Runden durch die Halle und finde bei jeder Runde doch noch etwas Neues oder Interessantes. Von den Customrollern kenne ich bereits viele. Neues zu finden ist schwierig, weil die Custom-Kultur in den letzten paar Jahren stark nachgelassen hat. Wenn ich mich an meine U20 Zeiten erinnere, als wir allesamt stundenlang die Gold- und Chrombeschichteten englischen Customroller angeschmachtete haben. Dann kam noch die Streetracer-Zeit und danach ist der Trend zum Customscooter mehr und mehr abgeflacht. Sicherlich auch durch das Customizing von der Stange wie es uns von SIP oder Scooter Center angeboten wird. Es ist schade darum. Irgendwie. So herausragende technische Umsetzungen wie die Dupont-Lambretta, diese eine schöne Metalflake-Bestie oder „The-Great-Escape“ machen aber wieder so viel Laune die Hoffnung für die Zukunft gibt.
Mein Rückflug ist am frühen Abend gebucht und so muss ich schweren Herzen schon relativ früh das Gelände wieder verlassen. Andererseits bleiben mir dann ein paar alkoholbedingte Anblicke von Kehrseiten bestimmter szenebekannter Personen erspart. Auch nicht schlecht. Jedenfalls werde ich für das kommende Jahre, also den Scooterist Meltdown 2019 in Kalkar bereits jetzt rechtzeitig planen und gemeinsam mit ein paar mehr Freunden aus dem Club von Freitag bis Sonntag dem Event beiwohnen.