Meinem Bruder und Clubkollegen habe ich im Zuge eines Bier und Technik Abends gegenüber das Kolbenring-Stoßspiel erwähnt, welches man tunlichst bei jedem Zylinderziehen kontrollieren sollte. Aufgrund der eher ratlosen Gesichter in der B&T-Runde habe ich dann versprochen eine kleine Beschreibung zusammen zu fassen, wie man denn nun das Stoßspiel der Kolbenringe kontrolliert.
Die Kolbenringe sind die die Dichtringe des Kolbens zur Zylinderlaufbahn und sorgen dafür dass der Kolben im thermisch höher belasteten Bereich direkt unter dem Feuersteg nicht mit dem Zylinder kuschelt.
Das Kolbenringspiel ist die relativ kleine Distanz an den Kolbenringen wenn diese in die Laufbahn gesteckt werden. Das Spiel darf weder zu klein noch sollte es zu groß sein. Die adäquaten Werte sind weiter unten in einer Tabelle aufgeführt. Als Faustregel darf aber gerne das ideale Stoßspiel erhöht um 0,2mm – 0,3mm hergenommen werden. Je größer die Bohrung desto mehr Stoßspiel ist noch zu tolerieren.
Nachdem in jeder Fertigung der Risikofaktor Mensch eine Rolle spielt und auch Luigi am Sonntag gerne mal dem Grappa bzw. heutzutage Jun-Ling dem Shāojiǔ frönt, kann es bei so engen Toleranzen selbst bei neuen Zylinderkits, Ersatzkolben bzw. neuen Kolbenringen zu montäglichen Ungenauigkeiten kommen.
Ist das Stoßspiel zu weit, so erhöht sind das Blowby, sprich im Zug der Verbrennung der Anteil des verbrannten Benzin-Luft-Gemisches welches an den Kolbenringen vorbei bläst. Das bedeutet weniger Leistung und höheren Verschleiss der Komponenten unter dem Brennraum bzw. Kolbendach. Der Blowby manifestiert sich als schwarzer Rückstand unter den Kolbenringen am Kolbenhemd. Am Bild ist das direkt über dem Kolbenbolzen sehr deutlich zu erkennen.
Noch verheerender kann ein zu geringes Stoßspiel sein. Sobald Zylinder, Kolben und Ringe Betriebstemperatur erreichen oder einmal ein
Temperaturpeak ansteht, dann ist bei zu geringem Stoßspiel sehr schnell gar kein Spiel mehr übrig. Das ideale oder Mindeststoßspiel wird benötigt um die Dilatation der Kolbenringe auszugleichen, sprich der Volumensänderung durch die Wärmeinbringung Platz zu geben. Ist nicht genug Stoßspiel gegeben kann im schlimmsten Fall der Kolbenring brechen und dementsprechende Folgeschäden verursachen. Gerade bei beschichten Aluminiumzylindern geht das meist mit einer Beschädigung der
NIKASIL-Schicht einher.
Der Vorgang ist sehr einfach und geht relativ schnell von statten. Neben Zylinder, Kolben und Kolbenringen braucht man lediglich eine übliche Fühlerlehre um das Stossspiel zu ermitteln.
Als erstes wird der Kolbenring in die Laufbahn gesteckt und zwar möglichst weit oben in der direkten Umgebung des Oberen Totpunktes. Letzteren kann man gerade bei gelaufenen Zylindern meistens bereits problemlos mit dem Auge erkennen, weil sich darüber der Kreuzschliff noch erkennen lässt und ein kleiner “Ring” mit Ablagerungen zu finden ist.
Weil man den Kolbenring von Hand nicht genau ausgerichtet bekommt, wird der Kolben von der Unterseite in den Zylinder gesteckt und der Kolbenring damit einen Millimeter nach oben geschoben.
Jetzt kommt die Fühlerlehre zum Einsatz. Damit tastet man sich ganz langsam an das Stoßspiel heran. In diesem Fall hat der Kolbenring 0,4mm Stoßspiel. Gemäß Grand-Sport sollten hier 0,23mm und gemäß Wiseco 0,25mm im neuen Zustand anliegen.
Zum ermittelten Wert addiert man nun die 0,2 – 0,3mm. So kämen dann 0,43mm als maximales Kolbenring Stoßspiel zusammen, was gerade noch so im fahrbaren Bereich ist.
Bei originalen Zylindern und Kolben kann man durchaus auch bis zu 0,7mm Stoßspiel fahren, alles darüber hinaus ist auf jeden Fall bereits bedenklich und kostet aktiv Leistung.
Sollte das Stoßspiel zu groß sein, dann müssen einfach die Ringe getauscht werden und alles kann so weiter wie bisher. Ist jedoch das Spiel zu klein, dann muss man bei den Enden vorsichtig mit eher feinerem Schleifpapier für mehr Spiel sorgen. Dabei sollte man aber sehr vorsichtig zu Werke gehen und lieber zweimal mehr messen, als einmal zu wenig, denn zu viel Spiel ist ja schliesslich auch nicht gut.